Treibt Amazon seine Händler dazu, die Preise bei der Konkurrenz hochzutreiben? Amazon windet sich um Erklärungen, die US-Behörden könnten nun genauer hinschauen.

Amazon Gebäude
Sundry Photography/Shutterstock.com

In der Regel nutzen Online-Händler neben dem eigenen Online-Shop mehrere Marktplätze, um ihre Ware an die Kunden zu bringen. Das ist in Deutschland so und das ist auch in den USA so. Und wie in Deutschland heißt der Platzhirsch in den USA Amazon. Kaum ein Händler kann es sich leisten, auf das lukrative Amazon-Geschäft zu verzichten. EMarketer zufolge ist der E-Commerce-Riese für fast 40 Prozent des US-Online-Handels verantwortlich. Um diese Vormachtstellung zu sichern, sind dem Konzern offenbar auch Methoden recht, die nun die Kartellbehörden auf den Plan rufen könnten.

Wie Bloomberg in einem ausführlichen Report berichtet, treibe Amazon die Händler in den USA dazu, ihre Produkte bei konkurrierenden Marktplätzen teurer anzubieten als im Amazon Marketplace. Amazon informiert die Händler via Preis-Alarm darüber, wenn das gleiche Produkt bei Walmart oder Ebay weniger kostet, damit der Händler darauf reagieren kann. Wenn der günstigste Preis nicht bei Amazon zu finden ist, verlieren die Händler in den USA den prominenten „buy now“-Button, sind also auf dem Marktplatz schwieriger zu finden. Da aber die Gebühren für Amazon im Vergleich mit der Konkurrenz relativ hoch sind, ist es für den Händler sinnvoller, den Preis des eigenen Produkts bei Walmart oder anderen zu erhöhen, selbst wenn das die dortigen Absätze mindert. Denn auf den lukrativen Amazon-Kuchen wollen die wenigsten verzichten.

„Amazon kontrolliert den Preis“

Bloomberg gibt an, einige Preis-Alarme von Amazon analysiert zu haben. Darin fordere der Marktplatz die Händler zwar nicht explizit auf, die Preise bei der Konkurrenz zu erhöhen. Das Ziel sehe man eher darin, die Preise auf Amazon zu senken. Händler geben gegenüber dem Nachrichtenportal umgekehrt aber an, dass sich die Preiserhöhung bei der Konkurrenz eher rechne. Ein Walmart-Manager, der anonym bleiben möchte, gibt an, dass Händler in letzter Zeit vermehrt Preiserhöhungen anfordern, weil sie sich darum sorgen, dass niedrigere Preise ihr Amazon-Geschäft beeinträchtigen könnten.

Die Preis-Alarme sendet Amazon seit 2017, ihre Frequenz habe sich Händlern zufolge zuletzt erhöht. Dabei werde den Händlern aber nicht gesagt, wo der günstigere Preis zu finden ist. Und es würden nicht nur Preise von konkurrierenden Händlern gezeigt. Das legt die Aussage von Anders Palmquist nahe, einem früheren Amazon-Mitarbeiter, der jetzt Vize-Präsident der E-Commerce-Consulting-Firma ARMR ist. Einer seiner Klienten bekam einen Preis-Alarm über ein Gartenprodukt, dass nur er anbietet. Dieses wurde bei Walmart günstiger gelistet. Palmquist empfahl dem Händler, den Walmart-Rabatt einzustellen. Der frühere Amazon-Händler Jason Boyce empfiehlt Händlern, überall die gleichen Preise festzusetzen, selbst wenn sie es sich leisten könnten, woanders günstiger anzubieten. „Amazon kontrolliert den Preis, nicht der Händler“, so Boyce.

Kommen jetzt die Kartellbehörden?

Das Ganze könnte nun als Kritik unglücklicher Händler abgetan werden und bislang gibt es auf die Praxis höchstens Hinweise und Händleraussagen, kaum Beweise. Dennoch ist davon auszugehen, dass der Vorgang die Kartellbehörden auf den Plan rufen könnte. In der Vergangenheit verpflichtete der Konzern seine Händler dazu, den günstigsten Preis auf dem eigenen Marktplatz anzubieten. Diese Praxis wurde aber etwa in der EU schon 2013 beendet, weil sie die Aufmerksamkeit der Behörden weckte. Auch in den USA wurde diese Vorgabe entfernt.

Die Vermutung ist nun, dass Amazon mit der Preisalarm-Strategie eine Art Workaround gefunden habe. „Sie haben den Grundsatz entfernt, der die Kartellbehörden misstrauisch gemacht hat und haben ihn gegen etwas eingetauscht, das etwas schwieriger zu entdecken“, sagt etwa Diana Moss, Präsidentin des American Antitrust Institute. Michael Kades vom Washington Center for Equitable Growth geht aber davon aus, dass die Praxis die Regierung auf den Plan rufen wird: „Sollten die Behörden beweisen können, dass diese Praxis Händler dazu treibt, Preise auf anderen Plattformen zu erhöhen, dann verliert Amazon das Argument, dass es nur darum gehe, allen den günstigsten Preis zu liefern.“

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Geschrieben von Christoph Pech




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