Ein internes Video von Amazon schlägt hohe Wellen. In dem Schulungs-Video werden Gewerkschaften verunglimpft. US-Politiker um Bernie Sanders kritisieren das Unternehmen in einem offenen Brief.

Screenshot aus dem geleakten Video
© Amazon - Screenshot aus dem Schulungsvideo

Wenn es um Arbeitsbedingungen geht, ist das Image von Amazon ohnehin angeschlagen, doch ein Video, dass von Gizmodo ausführlich beschrieben wird – und von dem einige Ausschnitte bei Twitter aufgetaucht sind – verursacht in den USA derzeit einen noch größeren Shitstorm. Nachdem es Gerüchte gab, Whole-Foods-Mitarbeiter könnten sich in einer Gewerkschaft zusammentun, wurde von Amazon ein 45 Minuten langes Video für Führungskräfte produziert, dass sie darauf trainieren soll, mögliche Gewerkschaftsbildungen zu erkennen und zu verhindern.

„Gewerkschaften behindern Innovation“

Das Video ist in sechs Abschnitte unterteilt, die „speziell dafür designed sind, Ihnen die nötigen Werkzeuge für den Erfolg zu geben, wenn es zur Mitarbeiterorganisation kommt“, heißt es in dem animierten Video. Weiter werde behauptet, dass man nicht generell gegen Gewerkschaften sei, aber eben auch nicht neutral. Amazon glaube nicht, dass „Gewerkschaften im besten Interesse der Kunden, der Aktionäre und der Partner wären. Gewerkschaften würden Geschwindigkeit, Innovation und die Leidenschaft für den Kunden behindern.“

Ferner wird den Führungskräften dann klar gemacht, wie sie „Warnzeichen“ für die mögliche Bildung einer Gewerkschaft oder generell der Organisation der Arbeiterschaft erkennen. Solche Warnzeichen seien etwa Gespräche, in denen von Mindestlohn gesprochen werde, das Austeilen von Flyern, das Äußern von Bedenken oder auch einfach die Tatsache, dass Mitarbeiter vermehrt Zeit miteinander verbringen. Zudem wird den Managern erklärt, wie sie rechtssicher über Gewerkschaften mit Mitarbeitern sprechen. So solle man Mitarbeiter zwar nicht bedrohen, aber man könne seine Meinung, teils auch harsch, äußern, indem man Gewerkschaften etwa als „lügende, betrügende Ratten“ bezeichne. Diese Äußerung sei gesetzlich kein Problem.

Amazon kritisiert Gizmodo für verzehrte Darstellung

Gizmodo hat das Video, das dem Portal offenbar in kompletter Länge vorliegt, nicht veröffentlicht, um den Amazon-Mitarbeiter, der es geleakt hat, zu schützen. Mehrere Anfragen an Amazon selbst blieben zunächst unbeantwortet, kritisierte dann aber in einem Statement das News-Portal selbst. Gizmodo hätte sich diskutable Sound-Schnipsel herausgepickt, die Charakterisierung von Amazon entspreche nicht der Sicht des Unternehmens, „wie man Karriere-Möglichkeiten für die Mitarbeiter kreiert“. Gizmodo hat das Statement in voller Länge veröffentlicht und Amazon aufgefordert, das Trainings-Video selbst in voller Länge zu veröffentlichen.

Dieser Forderung haben sich in einem offenen Brief nun auch die demokratischen US-Senatoren Bernie Sanders und Elizabeth Warren angeschlossen, meldet die Washington Post. Rechtsexperten geben zu bedenken, dass einige Inhalte des Videos nicht gesetzeskonform sein könnten und daher schreiben Sanders und Warren, dass man sichergehen wolle, dass Amazon kein „Union Busting“ betreibe, also das aktive Unterbinden von Gewerkschaftsgründungen. Amazons Reaktion lässt noch auf sich warten.

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Geschrieben von Christoph Pech