Eine Amazon-Mitarbeiterin aus einem deutschen Logistikzentrum berichtet anonym über ihre Arbeit  – von permanenter Überwachung, schlechter Bezahlung und Managern als Aufsehern. Doch es gibt auch gute Seiten. Amazon weist in einem Statement die „Anschuldigungen“ zurück.

Mann mit Stift und Klemmbord
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Emilia Nowak heißt nicht wirklich so. Ihr Name ist der Redaktion bekannt und wurde geändert, weil sie ansonsten Repressalien von ihrem Arbeitgeber befürchtet. Sie arbeitet seit vielen Jahren in einem großen deutschen Amazon-Logistiklager. 

Amazons zweiter Platz bei den weltbesten Arbeitgebern hat sie überrascht. Ihre Erklärung: „Ich denke mal, das liegt daran, dass Amazon viele neue Fulfillment Center gebaut hat, besonders in strukturschwachen Regionen mit vielen Arbeitslosen, welche sich über einen Job freuen! Die Bezahlung ist ja am oberen Ende des Logistiktarifs.“

Ewiger Kritikpunkt: Das Gehalt bei Amazon

Dennoch ist gerade das Gehalt immer wieder einer der am häufigsten genannten Kritikpunkte, auch bei ihr. Denn Emilia Nowak fühlt sich eher dem Einzel- und Versandhandel zugehörig – und daher schlecht bezahlt. „Es gibt kaum Zuschläge für Schichtarbeit, nur für Überstunden und Nachtschichten, was der Gesetzgeber vorschreibt! Freiwillig zahlen sie nur, wenn es ihnen in den Kram passt.“ Lohnerhöhungen seien nur durch den Druck gewerkschaftlicher Organisation erreicht worden. Die Gewerkschaft Verdi befindet sich seit Jahren mit Amazon im Kampf und fordert, dass die Amazon-Mitarbeiter in den Tarifvertrag des Einzelhandels eingestuft werden.

„Manager sind bessere Aufseher und Antreiber“

Die tägliche Arbeit sei geprägt von „permanenter Überwachung“, berichtet die Frau. „Man fühlt sich ständig beobachtet und gegängelt. Viele Manager sind bessere Aufseher und Antreiber, besonders bei neuen Mitarbeitern.“ Selten gebe es Manager mit Verständnis. „Die unteren Manager bekommen ja auch Feuer von den oberen.“ Daher herrscht auch auf dieser Ebene wohl jede Menge Druck, dementsprechend gebe es eine starke Fluktuation bei den Managern – „ich kann sie gar nicht mehr alle aufzählen“, so Nowak über ihre langjährige Zeit als Mitarbeiterin. Der ständige Manager-Wechsel führe dazu, dass die jeweils neuen „nicht wirklich wissen, was uns stört und auf uns eingehen können“, so die Amazon-Angestellte.

Kritik an Amazon: „Erstmal verheizen, dann entlassen“

Vieles finde jedoch generell unter einem „netten Deckmantel“ statt, kritisiert sie. „Manche Mitarbeiter werden jedoch zu Arbeiten gezwungen, für die sie nicht geeignet sind oder die sie nicht machen wollen – aber das ist eben der Job.“ Es gebe wenig Eigenverantwortung und viel Standardisierung. Allerdings wurde zuletzt an manchen Standorten für die Mitarbeiter auch eine Rotation der einzelnen Arbeiten – wie etwa als „Picker“ (bestellte Ware raussuchen) oder „Packer“ (Ware verpacken) – eingeführt, so dass die Schicht insgesamt abwechslungsreicher werde.

In den vergangenen Jahren habe es an ihrem Standort viele Entlassungen gegeben, „vor allem ironischerweise wegen Krankheit! Erstmal verheizen, dann entlassen“, so ihr Vorwurf.

Bemängelt wird auch der Umgang mit den Pausen – ebenfalls ein altbekanntes Problem bei Amazon. Die Pausenräume seien zu weit weg. „Der Weg zum Pausenraum gehört zur Pause – ergo fehlen ca. zehn Minuten Erholungszeit“, klagt die Mitarbeiterin.

Für viele Verbesserungen, wie z.B. höhenverstellbare Tische oder elektrische Hebevorrichtungen, hätten Mitarbeiter lange kämpfen müssen. „In den neuen Lagern ist alles gleich moderner, womit sie sich wahrscheinlich brüsten! Die alten Lager wurden aber nur laaaangsam nachgerüstet, da gibt es noch Verbesserungsbedarf“, sagt Nowak. 

Arbeitsbedingungen: Was ist gut bei Amazon?

Doch Emilia Nowak sieht auch Positives bei Amazon: „Wir haben ein gutes Team und nette hilfsbereite Kollegen, der Zusammenhalt stimmt.“ Dabei hält sie die Arbeitsbedingungen in Deutschland im Vergleich etwa zu den USA, Polen und Tschechien noch für gut. „Dort herrscht noch mehr Hire and Fire! Aber die Mitarbeiter weltweit vernetzen sich und streiken immer mehr, auch in anderen Ländern.“

Auch mit Amazons Maßnahmen gegen die Coronagefahr – die ebenfalls oft kritisiert wurden – ist sie zufrieden.

Ihr persönliches Fazit: „Es gibt bei Amazon noch viel zu verbessern, aber ich gehe gern dort arbeiten, da wir ein super Team sind und Spaß haben... Aber viele sind auch unzufrieden, da die Arbeit eintönig ist und die Manager unfähig im Umgang mit ihren Untergebenen sind.“

Update: Das sagt Amazon zu der Kritik

Amazon hat mittlerweile auf den Bericht reagiert. „Die Anschuldigungen weisen wir mit Nachdruck zurück. Tatsache ist, dass Amazon bereits exzellente Löhne, exzellente Zusatzleistungen und exzellente Karrierechancen bietet – und das alles in einer sicheren, modernen Arbeitsumgebung. Diese Vorteile und Chancen hat jede und jeder bei Amazon, genauso wie die Möglichkeit zum direkten Austausch mit Führungskräften“, erklärt ein Amazon-Sprecher. „Das Lohnpaket samt der Zusatzleistungen und unsere Arbeitsbedingungen bestehen auch im Vergleich mit anderen wichtigen Arbeitgebern in der Region. Unser Ziel wird es immer sein, in einem exzellenten Arbeitsumfeld durch Teamarbeit und den direkten Austausch mit den Mitarbeitern Hervorragendes für Kunden zu schaffen.“

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Geschrieben von Markus Gärtner