Wo gehobelt wird, da fallen Späne und Fehler passieren. Wie ist die Rechtslage bei einer Falschlieferung?

Frau schaut verdutzt in Paket
Prostock-studio / Shutterstock.com

Beim Öffnen des Paketes scheinen einige Amazon-Kunden in letzter Zeit eine böse Überraschung erlebt zu haben, denn statt des bestellten Produkts sollen oftmals andere (wertloses) Produkte im Karton enthalten gewesen. Dies ist ein Horror-Szenario, sowohl für Händlers als auch für Kunden, denn nun geht eine ewige Litanei der Spurensuche und Schuldzuweisung los, die nicht selten im Rechtsstreit endet.

Shampoo statt Smartphone: Amazon soll vermehrt falsche Produkte liefern

Die Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen berichtet, dass genau das aber derzeit gehäuft auftreten soll. Verbraucher hätten den Verbraucherschützern gemeldet, dass sie statt hochpreisigen Elektronikprodukten wie Tablets oder Smartphones teils Billig-Artikel wie Mehrfachsteckdosen, Katzenshampoo, Gurken oder Buntstifte erhalten, so die Meldung. Teilweise werde sogar mehrfach die falsche Ware geliefert. Laut der Verbraucherzentrale seien die gelieferten Pakete unbeschädigt und originalverpackt. Wo der Betrug in der Auslieferungskette begangen würde, ist damit nicht zurückzuverfolgen.

Bei der Schadensregulierung sei Amazon wenig einsichtig, denn man bestehe vor einer Erstattung des Kaufpreises seitens der Plattform auf die Rücksendung der bestellten Ware, die sich aber nicht im Paket befand. Ein Teufelskreis. Ein guter Grund, sich die Rechtslage etwas genauer anzusehen.

Wie ist die Rechtslage?

Nach dem deutschen Recht steht die Falschlieferung, also die Lieferung eines anderen als des bestellten Artikels, einem Sachmangel gleich. Die Falschlieferung wird also so behandelt wie ein Defekt oä. Dabei ist es irrelevant, ob der Fehler bei Amazon im Versandlager entstanden ist oder auf dem Weg ein Austausch stattgefunden hat. Amazon ist für den kompletten Transportweg bis zur Lieferung verantwortlich. Es ist übrigens auch unbeachtlich, welchen Wert der gekaufte und welchen Wert der gelieferte Artikel hat, und ob die vertauschte Ware versehentlich eingepackt wurde und mutwillig.

Zusammengefasst bedeutet die Falschlieferung, dass der Verbraucher einen Anspruch auf Lieferung seiner eigentlich bestellten Ware hat, denn über die wurde der Kaufvertrag geschlossen. Auch die notwendigen Versandkosten für den Austausch würden in diesem beschriebenen Fall auf die Kappe von Amazon gehen. 

Wer muss was beweisen?

In der Praxis spielt zwar die Frage der Beweisbarkeit eine Rolle, sie ist jedoch zugunsten der Verbraucher rechtlich verbrieft. Wenn ein Mangel innerhalb von zwölf Monaten (früher waren es sechs Monate) nach Lieferung auftritt, wird davon ausgegangen, dass die Ware bereits mangelhaft (hier: falsch) an den Verbraucher geliefert wurde. Es ist also die Pflicht des Verkäufers, das Gegenteil zu beweisen. Was bedeutet das konkret? Erhält der Kunde eine falsche Ware, muss er sich nur auf diesem Umstand berufen und möglichst glaubhaft darlegen. Er muss es aber nicht beweisen können, denn das Gesetz vermutet, dass er recht hat. Es ist dann Sache von Amazon, das Gegenteil zu beweisen, was für die Plattform schwierig bis aussichtslos sein wird. 

Betrugsvorwürfe durch Falschlieferung denkbar

Nicht zuletzt muss man auch an einen Betrugsversuch denken. Tatsächlich kann dieser strafrechtliche Tatbestand bei einer Falschlieferung erfüllt sein, wenn es zu einer absichtlichen Falschlieferung durch den Verkäufer kam oder dieser die Falschlieferung zumindest billigend in Kauf genommen hat. Zu denken wäre an einen Softwarefehler, der bekannt war, aber nicht behoben wurde. Bisher fehlen zwar jegliche Anhaltspunkte, welche Ursachen es für die Falschlieferung gibt und an welcher Stelle der Lieferkette es zum Austausch kam. Dass es jedoch ausnahmslos minderwertige Produkte statt der teuren Elektronikartikel gewesen sein sollen, und nicht umgekehrt, lässt aufhorchen.

Was können Betroffene tun?

Wer einen solchen Fall wie oben beschrieben erlebt hat, sollte sich nicht von Amazons Retourenpolitik abschrecken lassen. Wie bereits erläutert, ist die Rechtslage im gesamten EU-Raum äußerst verbraucherfreundlich ausgestaltet. Zudem sollte man sich auf keinen Fall unter Druck setzen lassen, auch wenn mit einer möglichen Kontensperre gedroht wird.

Die Falschlieferung sollte umgehend bei Amazon gemeldet werden. Zum Beweis sollten Fotos gemacht werden. Soweit auf dem Paket auch das Versandgewicht vermerkt war, sollte auch dies mit festgehalten werden, dann ein Vergleich zwischen bestellten und gelieferten Produkt liefert hier möglicherweise Aufschluss. Auch das Europäische Verbraucherzentrum warnte in der letzten Weihnachtssaison vor Falschlieferungen im Allgemeinen und gab weitere Tipps: Vor dem Öffnen sollte das Paket zum Beispiel gewogen und fotografiert werden. Sofern schon bei der Lieferung Beschädigungen sichtbar sind, sollten Verbraucher die Annahme verweigern.

Kommt Amazon der Nachlieferung nicht nach, hat die Plattform den Kaufvertrag ihrerseits nicht erfüllt. Kommt es zu keiner Einigung oder verweigert Amazon einen Austausch, kann der Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt werden.

Praxistipp: Sollte es zu keiner Einigung kommen, weil Amazon auf seinem starren Retourenprozess beharrt, raten wir jedoch von einem voreiligen Handeln ab. Beispielsweise sollte nicht ohne weiteres eine Lastschrift oder Kreditkartenzahlung zurückgebucht werden, sondern der geregelte Gang über einen Rechtsanwalt oder eine Beratungsstelle wie die Verbraucherzentrale erfolgen.

Wir haben Amazon um ein Statement gebeten, und werden den Artikel ergänzen, sobald uns eine Reaktion vorliegt.

/
Geschrieben von Yvonne Bachmann