In einem offenen Brief setzen sich Amazon-Betriebsräte aus Deutschland dafür ein, dass die hiesige Belegschaft eine Prämie als Ausgleich der Inflation erhält.

Amazon-Schriftzug an einem Gebäude
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Während Amazon seine Sparmaßnahmen inklusive Entlassungen und Standortschließungen rund um die Welt fortführt, weisen hiesige Arbeitnehmervertreter auf die Belastungen hin, denen die Belegschaft aufgrund massiver Kostensteigerungen ausgesetzt sind. In einem offenen Brief rufen 34 Amazon-Betriebsräte aus Deutschland den Konzern nun dazu auf, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mithilfe einer Inflationsausgleichsprämie zu unterstützen.

Amazon: Status als „bester Arbeitgeber der Welt“ ist längst nicht erreicht

Als Grundlage dieser Forderung nennen sie Amazons Bestreben, der beste Arbeitgeber der Welt zu werden. Allerdings sei dieses selbstgesteckte Ziel gerade im vergangenen Jahr in größere Ferne gerückt: Denn laut dem Wirtschaftsmagazin Forbes errang der Konzern im Jahr 2020 in der Liste der Top-Arbeitgeber noch den zweiten Platz, rutschte 2022 allerdings auf Platzierung Nummer 14 ab. 

„Als Betriebsrätinnen und Betriebsräte beschäftigt uns alltäglich die Frage, mit welchen Mitteln Amazon es schaffen kann, zufriedene Beschäftigte zu haben“, heißt es in dem Brief, der dem Amazon Watchblog vorliegt. Und die Zahlung einer entsprechenden Prämie für die hiesige Belegschaft sei offenbar eine adäquate Möglichkeit.

Ein solcher Schritt hätte für Amazon durchaus beachtlichen Umfang. Im Dokument wird auf eine Zahl von 36.000 Beschäftigte verwiesen, die Amazon Ende 2022 im deutschen Raum erreichen wollte.

Regierung erleichtert Zahlung von Prämien

Obwohl die Betriebsräte bereits bestehende Bemühungen von Amazon, nämlich jährliche Anpassung der Gehälter und Löhne, anerkennen und auch hervorheben, bezeichnen sie die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie als „einmalige Chance“, die es zu nutzen gilt.

Besonders attraktiv wird diese, weil die Bundesregierung im vergangenen Jahr bereits entsprechende Maßnahmen durch das dritte Entlastungspaket auf den Weg gebracht hatte: Um es Unternehmen zu erleichtern, die eigene Belegschaft mit Blick auf die hohe Inflation zu unterstützen, können Firmen ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bis Ende 2024 eine Inflationsausgleichsprämie in Höhe von 3.000 Euro auszahlen – und zwar steuer- und sozialversicherungsfrei. Dabei muss die Auszahlung nicht in voller Höhe erfolgen und auch eine Stückelung in mehrere Tranchen ist grundsätzlich möglich.

„Wir sind uns bewusst, über welche enorme Gesamtsumme wir sprechen“, schreiben die Arbeitnehmervertreter weiter. Zugleich müssten hingegen die großen Gewinne Berücksichtigung finden, die Amazon in Zeiten der Pandemie und trotz des anhaltenden Krieges in der Ukraine erzielen konnte.

Abweisende Kommunikation Amazons in der Kritik

Mit Amazon sei die bisherige Kommunikation durchaus schwierig gewesen. Die Vertreter sprechen von einer „kompromisslosen Haltung“ des Unternehmens, weshalb man sich nun gezwungen sah, den Weg eines offenen Briefs zu wählen. „Sämtlichen Betriebsräten ist bewusst, dass Entscheidungen dieser Größenordnung nicht von der lokalen Geschäftsleitung getroffen werden können und dürfen. Als die ,DE-Betriebsräte‘ nahezu geschlossen auf die Führung Amazon Deutschlands zugingen, um einen Dialog zu beginnen, waren die Antworten sehr abweisend“, heißt es in dem Schreiben.

Auch bei Themen wie der Lohngestaltung, bei denen die Betriebsräte gesetzliche Mitbestimmungsrechte haben, hätten Führungspersonen von Amazon Deutschland in der Vergangenheit keine konstruktiven Verhandlungen angestrebt, heißt es weiter. 

Dass es auch anders geht, zeigen diverse Unternehmen in Deutschland, etwa der Handwerksspezialist Würth, die Finanzhäuser Targobank, Commerzbank, Hypovereinsbank und Ing oder auch die Mobilitätsfirmen Porsche, Sixt und Airbus. Hier hätten sich die entsprechenden Manager mit den Betriebsräten zusammengesetzt, um eine Lösung zu finden und eine Inflationsausgleichsprämie zu zahlen.

Betriebsräte wollen „nicht aufgeben, für die Belegschaft in Deutschland zu kämpfen“

Als gewählte Vertreterinnen und Vertreter der Belegschaft gehört es zu den originären und gesetzlich verankerten Aufgaben von Betriebsräten, die Interessen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht nur aufzuzeigen, sondern auch durchzusetzen. Dies wolle Amazon allerdings „nicht ganz akzeptieren“, so die Einschätzung der Räte. 

„Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, wie es das Betriebsverfassungsgesetz beschreibt, sieht anders aus. Amazon muss verstehen, dass Betriebsräte mit den Verantwortlichen auf Augenhöhe sprechen müssen“ und das seien „,leider‘ nicht die jeweiligen Geschäftsleitungen eines Standortes“.

Die Betriebsräte werden den Kampf im Sinne der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter demnach weiterführen. In ihrem Appell an die Geschäftsleitung von Amazon Deutschland greifen sie dabei Aussagen von Konzern-Chef und Jeff-Bezos-Nachfolger Andy Jassy auf, der sagte: „Ich bin dankbar für meine Amazon-Kollegen auf der ganzen Welt. Ich kenne keine Gruppe von talentierteren, intelligenteren, innovativeren, missionarischeren und mutigeren Menschen.“ Man hoffe, dass seine Aussagen keine Worthülsen bleiben.

Amazon selbst berichtet von „Dialog auf Augenhöhe“

Auf Nachfrage erklärte ein Sprecher des Konzerns: „Bei Amazon glauben wir an faire Löhne und gute Extras.“ Jedes Jahr werden demnach die Löhne überprüft, um auf diesem Weg sicherzustellen, „dass wir unseren Mitarbeitenden ein attraktives Angebot machen“. 

Auch Deutschland-Chef Rocco Bräuniger, der Anfang 2022 den Posten von Ralf Kleber übernommen hatte, verwies bei seinem Amtsantritt auf die Verantwortung, die das Unternehmen seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gegenüber habe: „Die Wahrnehmung dieser Verantwortung hat für mich hohe Priorität. Dazu gehört der sehr faire und gute Umgang mit allen Beschäftigten“, sagte er damals.

Zu den aktuellen Diskussionen rund um die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie hieß es außerdem, dass Amazon ein „Dialog auf Augenhöhe“ wichtig sei. „Wir schätzen den direkten Austausch mit unseren Kolleg:innen sowie die konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den lokalen Betriebsräten, die an vielen Standorten in Deutschland vertreten sind.“

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Geschrieben von Tina Plewinski




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