Amazon Prime Wardrobe – ein Service, der es den Kunden ermöglicht, Klamotten zu bestellen, zuhause anzuprobieren, zurück zu senden und dann das zu bezahlen, was tatsächlich behalten wurde. Wow. Einfach nur wow.

Es ist doch Sommer. Wieso sollen alle zittern?

Wer jetzt hier die Ironie herausgelesen hat: Herzlichen Glückwunsch. Doch scheinbar sahen das andere Medien nicht so. So titelt der Focus, dass Amazon mit seinem neuen Service „Einzelhändlern keine Chance mehr“ lässt. Das Handelsblatt lässt „Kaufhäuser zittern“ und bei Chip.de ist sogar eine ganze Branche am Zittern. Es ist quasi der Untergang für alle, die irgendwas mit Mode zu tun haben. Die ganze Berichterstattung erinnert sehr an den Start von „Amazon Fresh“ in Deutschland. Auch da wurde gleich der Untergang des ganzen Lebensmitteleinzelhandels prophezeit.

Der Weltuntergang ist bisher ausgeblieben und so wird es auch jetzt mit „Amazon Prime Wardrobe“ sein. Warum also dieser Hype? – Die Frage stelle nicht nur ich mir. Auch die Otto Group hat auf ihrem Unternehmensblog am heutigen Montag einen Beitrag veröffentlicht, der „Amazon Prime Wardrobe“ jetzt mal ins richtige Licht und die hysterischen Köpfe mal wieder gerade rückt. Denn bei Amazons neuem Mode-Service handelt es sich um nichts anderes – und da muss ich Otto einfach zustimmen – als um den in Deutschland ach so beliebten Kauf auf Rechnung. Mag ja sein, dass in den USA diese Payment-Variante keine Relevanz hat, doch jeder, der vom deutschen Online-Handel auch nur ein bisschen Ahnung hat, weiß, dass die Deutschen so am liebsten bezahlen.

Neu ist gerade mal das Rabattsystem

Und auch die siebentägige Rückgabefrist ist jetzt nicht das große neue Ding. Ganz im Gegenteil. In Deutschland sieht das Fernabsatzgesetz bei Online-Käufen ja ohnehin eine Widerrufsfrist von 14 Tagen vor. Einzelne Händler haben das sogar auf 30 oder gar 90 Tage erweitert.  Und auch in den USA gibt es Anbieter wie beispielsweise die Mode-Kette Nordstrom, die in ihren Retouren-FAQ erklären, dass es kein zeitliches Limit für Retouren gibt. Also auch wenn es in den USA kein gesetzliches Widerrufsrecht gibt, gibt es durchaus Anbieter, die Ware – vor allem wenn sie ungetragen und absolut in Ordnung ist – wieder zurück nehmen.

Was macht Amazons Prime Wardrobe also so besonders? Da wäre noch die Abholung der Retoure direkt an der Haustür. Ja. Auch das ist nichts Neues. Sowohl Otto als auch Zalando bieten in Deutschland diesen Service mittlerweile an. Und von kostenlosen Retouren fang ich mal gar nicht erst an – auch hier verweise ich nur zu gern wieder auf Otto und Zalando. Und was mit am unterhaltsamsten ist: Amazon Prime Wardrobe ist – wie der Name schon erahnen lässt – nur für zahlende Prime-Mitglieder verfügbar. Man möchte die Hände über dem Kopf zusammenschlagen.

Der deutsche Online-Handel braucht sich nicht vor „Wardrobe“ fürchten

Wo ist denn jetzt hier der revolutionäre und disruptive Service? Das einzige was wirklich neu und irgendwie auch bisschen cool ist, ist das mit Wardrobe eingeführte Rabattsystem. Dabei erhalten Shopper 10 Prozent Preisnachlass, wenn sie drei oder vier Produkte der Bestellung nehmen und sogar 20 Prozent, wenn sie am Ende fünf oder mehr Kleidungsstücke bzw. Accessoires behalten. 

So – das war es dann aber auch. Amazon hat mit Wardrobe eigentlich nichts anderes gemacht, als das was in Deutschland bei vielen Händlern schon lange Standard ist. Warum hier irgendwer oder sogar eine ganze Branche zittern soll, erschließt sich mir einfach nicht. Und damit ist „Amazon Prime Wardrobe“ am Ende nicht mehr als ein gelungener Marketinghit. Ich möchte mich deswegen Thomas Steck, Direktor Kundenservice und Logistik bei Otto, anschließen, wenn er sagt, dass „bloß weil eine gut verpackte Idee aus Seattle stammt, muss diese ja nicht immer gleich den Rest der Handelswelt ins Unglück stürzen und europäische E-Commerce-Anbieter kollektiv in Schockstarre verfallen lassen.“ Denn das, was Amazon hier bietet, kann der deutsche Online-Handel schon lange. Also Bauch rein und Brust raus: Vor „Amazon Prime Wardrobe“ muss niemand zittern!

 

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Geschrieben von Julia Ptock




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