Selten gibt Amazon konkrete Zahlen preis. Doch nun hat das Unternehmen Daten zu seinem Prime-Video-Dienst veröffentlicht, die einige Einblicke ermöglichen. Damit wird auch endgültig bestätigt, was man bisher vermutet hat: Amazon will vor allem neue Prime-Kunden mit dem Service locken.

Amazon Prime Video Website
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Über fünf Millionen Kunden haben sich bis Anfang 2017 aufgrund des Video-Streaming-Angebots von Amazon eine Prime-Mitgliedschaft zugelegt. Das geht Reuters zufolge aus Dokumenten hervor, die Amazon nun veröffentlicht hat. Die Zahlen zeigen auch, dass rund 26 Millionen Kunden das Video-Programm von Prime genutzt haben. Es ist das erste Mal, dass Amazon absolute Zahlen für die gesamte Zuschauerschaft seines Video-Dienstes bekanntgegeben hat.

Die veröffentlichten Dokumente geben aber offenbar noch detaillierteren Aufschluss: 19 Shows, die exklusiv für Amazon Prime Video produziert wurden, werden genauer unter die Lupe genommen. Dabei schlüsselt Amazon die Kosten für die Sendungen, die Zuschauerzahlen und die Zahl an Prime-Kunden, die die Shows dem Unternehmen beschert haben, auf. Analysten zufolge sollen die Prime Originals für bis zu ein Viertel aller neuen Prime-Kunden gesorgt haben, die im Betrachtungszeitraum (Ende 2014 bis Anfang 2017) die Premium-Mitgliedschaft abgeschlossen haben.

16.000 neue Prime-Kunden reichen nicht

Amazon betrachtet dabei die Sendung, die ein Kunde nach Abschluss seines Prime-Abos als erstes ansieht, als ausschlaggebend für den Abschluss der Prime-Mitgliedschaft. Das habe zumindest ein Insider Reuters bestätigt – aus den Dokumenten wird die Methodik nicht klar. Amazon berechnet dann die „Kosten pro erstem Stream“, also wie sich die Zahl der Zuschauer zu den Ausgaben (Produktionskosten und Marketingausgaben) verhält. Die erste Staffel von „The Grand Tour“ kommt so auf 49 US-Dollar pro erstem Stream, also pro neuem Prime-Kunden, und ist damit die kosteneffizienteste Serie in Amazons Angebot, wie die Reuters-Grafik zeigt.

Es zeigt sich auch, dass Amazon Serien, die sich nicht derart auszahlen, schnell wieder absägt. Die von Kritikern gefeierte Sendung „Good Girls Revolt“ hat 1,6 Millionen Zuschauer in ihren Bann gezogen. Doch die Produktionskosten von 81 Millionen Dollar und 52.000 „First Streams“ besiegelten das Ende der Show: 1.560 Dollar pro neuem Prime-Kunden war Amazon wohl zu teuer und nach der ersten Staffel setzte der Konzern „Good Girls Revolt“ ab.

Zwei Zugpferde im Streaming-Stall

Der „Break-Even“ für die Prime Originals dürfte wohl in Amazons Kalkulation bei 99 US-Dollar pro gewonnenem Prime-Kunden liegen. Das ist schließlich der Betrag, den ein Prime-Kunde jährlich für die Mitgliedschaft zahlt. Von den 19 betrachteten Sendungen haben bisher nur die jeweils erste Staffel von „The Grand Tour“ und „The Man in the High Castle“ diesen Punkt erreicht. Doch Amazon dürfte ein wenig Luft lassen – schließlich geben Prime-Kunden tendenziell mehr Geld bei dem Unternehmen aus und sorgen so für einen Umsatz-Boost.

In jedem Fall bestätigt das Dokument, was von vielen Seiten bisher vermutet wurde: Amazon bietet sein Video-Streaming-Programm nur an, weil das Unternehmen damit neue Prime-Kunden gewinnen will. Diese Zahl ist entscheidender als die Zuschauerzahlen insgesamt, wie „Good Girls Revolt“ zeigt: Die 52.000 „First Streamer“ wogen schwerer als die insgesamt 1,6 Millionen Zuschauer der Sendung.

 

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Geschrieben von Michael Pohlgeers