Die Mühlen bei Amazon stehen nie still, besonders kurz vor Weihnachten …

Herbstliche Komposition für den Oktober
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Ob die Fortführung der Elektro-Offensive in der Logistik, Ärger rund um neue Retourenprozesse auf dem hauseigenen Marktplatz, Vorbereitungen auf das stressige Weihnachtsfest oder einem Richtfest in Berlin – bei Amazon war in den vergangenen Monaten viel los. Wir geben einen Überblick über den Monat Oktober. 

Miese Aussichten, weihnachtliche Einstellungen und Milliarden-Kosten durch Mitarbeiterfluktuation

Mit der Präsentation seiner Zahlen für das dritte Quartal 2022 hat Amazon die Anleger in helle Aufruhr versetzt: Zwar stieg der Umsatz um deutliche 15 Prozent auf 127,1 Milliarden Dollar, doch der Nettogewinn rutschte im Vorjahresvergleich um neun Prozent auf 2,9 Milliarden Dollar ab. Dabei veranlassen hohe Preissprünge bei Energie, Benzin und Co. den Konzern nun zu Einstellungsstopps in einigen Bereichen. „Wir ergreifen Maßnahmen, um den Gürtel enger zu schnallen“, kommentierte Finanzchef Brian Olsavsky. 

Für das laufende Weihnachtsquartal seien die Prognosen derart schlecht, dass es an der Börse zu einem gewaltigen Beben kam: Die Amazon-Aktie sackte nach Veröffentlichung der Zahlen um rund 17 Prozent ein, an der Wall Street lösten sich in diesem Rahmen über 200 Milliarden Dollar an Börsenwert in Luft auf.

Noch mehr Zahlen hat Amazon im Übrigen in Anbetracht des bevorstehenden Weihnachtsgeschäfts gegeben. Anfang Oktober hieß es, man werde allein in den USA rund 150.000 neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für die Saison einstellen. Grundsätzlich ist Amazon in den Vereinigten Staaten nach Walmart der zweitgrößte Arbeitgeber des Landes. Interne Dokumente sollen allerdings belegen, dass es dem Online-Riesen schwerfällt, Angestellte lange halten zu können: Demnach verursache die hohe Fluktuation der Mitarbeiter jedes Jahr Kosten von schätzungsweise acht Milliarden Dollar.

Marktplatz: Kritik an neuen Retouren-Regeln und an der Buy-Box

Hohe Wellen schlug im Oktober vor allem ein Thema auf dem hiesigen Online-Marktplatz: die Einführung neuer Retouren-Regeln. Ab Ende 2022 sei es für Händlerinnen und Händler mit Standard-Rücksendeadresse in Deutschland hierzulande Pflicht, „entweder vorfrankierte Rücksendeetiketten für eine Versandart mit Sendungsverfolgung oder Erstattungen ohne Warenrücksendung für alle Kundenrücksendeanträge anbieten, die in den Geltungsbereich der Rückgabebedingungen von Amazon fallen“. Viele Seller äußerten daraufhin deutliche Kritik – sie befürchten, dass Kunden die neuen Prozesse missbrauchen könnten.

Auch die Prozesse rund um die Buy-Box werden kritisiert: Im Rahmen einer Sammelklage in Großbritannien wirft eine Verbraucherschützerin dem Online-Konzern vor, dass nicht klar ist, welche Angebote von welchen Händlern aus welchen Gründen in diesem Kasten landen. Auch wird Amazon vorgeworfen, die eigene Marktmacht zu missbrauchen, um eigene Produkte häufig präsent anzubieten. Mit der Klage gehen Schadenersatzforderungen in Höhe von bis zu 900 Millionen Pfund einher.

Marktplatz, die Zweite: PayPal-Deal, Kampf gegen Betrug und stetig steigende Beliebtheit

Amazon expandiert – auf mehreren Ebenen: Erst im Oktober hat sich das Unternehmen mit seinem Online-Marktplatz auf europäischem Boden weiter ausgebreitet. In Belgien wurde die länderspezifische Plattform an den Start gebracht. Und auch eine Umfrage zeigt, dass Amazon immer weiter an Beliebtheit gewinnt: Dem Analysespezialisten Marketplace Pulse zufolge ist Amazon mittlerweile in vielen Teilen der Welt beliebter als der Konkurrent Ebay.

Während PayPal in vielen hiesigen Online-Shops das Top-Zahlungsmittel ist, kann man hierzulande bei Amazon noch nicht auf diese Option zurückgreifen. Durch eine Kooperation wird die Bezahloption für Kundinnen und Kunden in den USA nun allerdings möglich, und zwar über eine Anbindung des hauseigenes PayPal-Services Venmo

Weiterhin relevant bleibt der Kampf Amazons gegen Betrüger. Der Konzern hat Klagen und Strafanzeigen gegen dubiose Anbieter auf den Weg gebracht, um die Sicherheit seines Marktplatzes zu stärken. Wie wichtig solche Maßnahmen sind, zeigen etwa auch Betrugsmaschen rund um Falschlieferungen, vor denen Verbraucherschützer aktuell warnen. 

Kritik an Neuwaren-Vernichtung und neuer Prime-Aktion

Schon im Jahr 2018 gab es breite Kritik an Amazon, als das ZDF-Fernsehmagazin Frontal21 berichtete, dass der Konzern in seinen Logistikzentren tonnenweise retournierte, neuwertige Waren vernichtete. Nun kamen erneut entsprechende Anschuldigungen auf, denen zufolge Amazon wenig an dieser Praxis geändert habe. „Vernichtet wird weiter, in jedem Fall. Es ist nicht erkennbar, dass es irgendwelche Veränderungen gibt“, habe sich ein Insider geäußert.

Darüber hinaus wurde auch Kritik an einer neuen Shopping-Aktion laut, die Amazon im Oktober durchführte: „Prime Exklusive Angebote“. Verdi rief rund um das zweitägige Event zu Streiks an den Logistikstandorten auf und forderte – wie üblich – eine bessere Bezahlung im Rahmen einer Anerkennung der Flächentarife für den Einzelhandel. „Erstmalig gibt es einen zweiten ‚Prime Day‘ in diesem Jahr und zum jetzigen Zeitpunkt bedeutet das für die Beschäftigten keine Atempause, bevor es mit Vollgas ins Weihnachtsgeschäft geht. Das geht zu Lasten der Gesundheit der Beschäftigten“, sagte Silke Zimmer, die zuständige Landesfachbereichsleiterin der Gewerkschaft.

Logistik: Mehr Service, mehr Elektro, weniger Scout 

Kundinnen und Kunden in Deutschland bietet Amazon ab sofort eine neue Option: die Abholung von Bestellungen direkt aus Geschäften. Händler, die auf dem Marktplatz agieren, können dies nun auch hierzulande anbieten.

Neben dem Ausbau kundenfreundlicher Optionen tüftelt Amazon auch weiter an seiner Nachhaltigkeitsstrategie: In diesem Zuge hat das Unternehmen verkündet, in den kommenden fünf Jahren mehr als eine Milliarde Euro in ein nachhaltiges europäisches Transportnetz zu stecken – durch Elektrifizierung und Dekarbonisierung. Für den deutschen Raum sind dabei 400 Millionen Euro vorgesehen.

An anderer Stelle kürzt der Konzern ein: Der hauseigene Lieferroboter Scout, der selbstständig Pakete an Kundinnen und Kunden liefern sollte, fällt dem Rotstift zum Opfer und wird entsprechend eingestampft. Womöglich war er im Vergleich mit seinen Kraftprotz-Brüdern aus den Amazon-Logistikzentren einfach zu klein und zu schwach

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Geschrieben von Tina Plewinski