Amazon strebt nach logistischer Unabhängigkeit. Doch in Sachen Paket-Abholstationen klingen die neuesten Entwicklungen weitaus eindrucksvoller, als sie am Ende tatsächlich sind.

Paketbox: Foto eines Amazon Locker
© Maurice Riehl

Schon seit einigen Jahren wird eines immer deutlicher: Amazon will sich durch hauseigene logistische Dienste und Netzwerke von den großen Logistikern wie DHL und Hermes emanzipieren. Zugespitzt wird dem Konzern sogar nachgesagt, dass er daran arbeite, sich irgendwann ganz und gar unabhängig zu machen, um auf diesem Wege gar nicht mehr auf die Hilfe namhafter Logistikgrößen zugreifen zu müssen.

Mit immer neuen Logistikzentren und Depots, wachsenden Mitarbeiterzahlen und eigenen Zustelldiensten soll dies gelingen. Teil dieser Strategie sind unter anderem auch die sogenannten „Amazon Locker“ – das sind diese großen (meist grauen) Paketboxen, wie sie die Deutsche Post DHL in ähnlicher Form besitzt und in die man sich als Kunde seine Pakete liefern lassen (und sogar Retouren abwickeln) kann.

Und genau diese Amazon Locker sorgten jüngst für Schlagzeilen. Der Grund: Amazon soll die Zahl der Paketkästen in den vergangenen Monaten verdoppelt haben!

Alle sollen von hauseigenen Paketkästen profitieren – Naja… bis auf die Konkurrenz

Also zunächst einmal ist die massive Ausweitung der hauseigenen Paketkästen gut für die Kunden – glaubt man den Werbeargumenten. Und die haben durchaus recht: Denn wenn sich Kunden ihre Amazon-Pakete gezielt in die „Locker“ liefern lassen, dann wissen sie genau: Mein Paket kommt auch wirklich an! Sie müssen dabei nicht darauf hoffen, dass die Nachbarn zuhause sind, wenn der Paketbote kommt. Und sie müssen nicht fürchten, dass das Paket in der Postfiliale drei Wohnviertel weiter abgegeben wird, wo sie sich am frühen Abend in die lange Kundenschlange einreihen müssen und viel Zeit verplempern.

Doch natürlich profitiert auch Amazon davon: Der Konzern kann seine Lieferversprechen besser einhalten und die Pakete (im Idealfall sogar zuhauf) in die Paket-Abholstationen packen. Das steigert die Kundenzufriedenheit und spart darüber hinaus auch Zeit und Geld, die man sonst damit verbringen müsste, die Pakete bis zu jeder einzelnen Haustür zu liefern. Eine Win-win-Situation also!

Und wo ist jetzt der Haken?

Der Haken besteht darin, dass eine „Verdopplung“ der Paket-Abholstationen nach mehr klingt, als es eigentlich ist. Denn waren es im September 2017 noch 180 hauseigene Amazon Locker, so sollen es nach Angaben eines Amazon-Unternehmenssprechers derzeit „rund 400“ sein, berichtet die WirtschaftsWoche.

Doch 400 Paket-Abholstationen sind – wie man sich mit Blick auf die Entwicklung der Logistik in Deutschland sicher vorstellen kann – viel zu wenige! Die Paketfluten wachsen und wachsen und es ist anzunehmen, dass es durchaus einige Kunden gibt, die entsprechende Paketkästen auch wirklich in Anspruch nehmen würden – sofern diese nicht zu weit weg sind. Mit 400 Paketboxen im gesamten Bundesgebiet dürfte Amazon jedoch nur einen Bruchteil der Kunden erreichen.

Zum Vergleich: Die Deutsche Post DHL kann mit etwa 3.400 Paketkästen aufwarten. 3.400! Das ist eine ganz andere Hausnummer als bei Amazon. Es zeigt sich also: Die Idee ist gut. Doch um die logistischen Paketfluten eindämmen und einen Großteil der Kunden auch wirklich erreichen zu können, muss Amazon noch ordentlich nachlegen!

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Geschrieben von Tina Plewinski




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