Der Winter naht und im Online-Handel dreht sich derzeit alles um die weihnachtlichen Vorbereitungen. Auch bei Amazon. Im Interview hat Amazon Deutschland-Chef Ralf Kleber über winterliche Schwächen, saisonale Arbeitskräfte und die verbleibende Kraft des stationären Handels gesprochen.

 

Stift mit Amazon-Logo, Nahaufnahme
© Tina Plewinski

 

Für gewöhnlich hält sich Amazon bedeckt. Ausführliche Interviews, Auskünfte oder Stellungnahmen zu aktuellen Entwicklungen und Plänen sind die Ausnahme. Umso erfreulicher ist, dass sich Ralf Kleber, Chef von Amazon Deutschland, nun etwas freizügiger gab und der WirtschaftsWoche einen kleinen Blick hinter die Kulissen gegeben hat. Wir haben die wichtigsten Passagen für Sie zusammengefasst.

Amazon-Chef Kleber: „Ich glaube nicht an eine Welt ohne Läden“

Ralf Kleber befindet sich an der Spitze eines der größten Unternehmen der Welt – naja… zumindest an der deutschen Spitze. Er ist Chef von Amazon Deutschland und steht daher mit beiden Beinen im E-Commerce. Aber das war nicht immer so: Kleber kommt ursprünglich aus dem stationären Handel und hat sowohl beim Schuhanbieter Reno als auch beim Modehändler Escada gearbeitet.

Und genau diese Erfahrung dürfte es wohl sein, die ihn – kurioserweise – auch an den stationären Handel glauben lassen. Anders als Online-Unternehmer Oliver Samwer glaubt Kleber nämlich an Innenstädte und Läden vor Ort. Wo Samwer den Offline-Handel als antiquiert, mittelalterlich und rückständig betrachtet, sieht der Amazon Deutschland-Chef in lokalen Geschäften durchaus künftiges Potenzial, auch wenn die stationäre Macht schwindet: „Sicher wird es einige Läden übermorgen nicht mehr geben, in denen wir heute und gestern immer eingekauft haben. Aber es entsteht auch viel Neues.“

Vom Online-Supermarkt und der Verschmelzung des Marktes

Was es tatsächlich Neues bei Amazon gibt (zum Beispiel im Bereich der Online-Lebensmittel), darüber wird wie gewohnt Stillschweigen bewahrt: „… es macht keinen Sinn, etwas anzukündigen, bevor unsere Kunden es auch ausprobieren können“, so Kleber. Dennoch stehe das „Grundziel“ bereits fest: Man wolle alle Produkte anbieten, die bei den Kunden gefragt sind. Und so ist es „letztlich nur eine Frage der Zeit, bis Sie auch Obst und Gemüse bei Amazon bestellen können.“

Auch wird sich der Markt an sich immer weiter verändern: „Produzenten und Konsumenten, Händler und Kunden werden immer stärker verschmelzen“, prophezeit Ralf Kleber. Diese Entwicklungen sind schon seit geraumer Zeit sichtbar und werden noch weiter vonstattengehen. Und Amazon kann dabei durch eigene Ressourcen mitwirken:

„Eine Kernfunktion von Amazon ist nicht mehr nur der reine Verkauf von Ware, sondern das Bereitstellen von Infrastruktur. Autoren werden über uns zu Verlegern, Händler nutzen unseren Marktplatz, um neue Kunden zu erreichen und StartUps greifen auf unsere Rechenkapazitäten zurück oder kaufen Logistikdienstleistungen bei uns ein.“ Hier zeigt sich, dass Amazon nicht nur ein Standbein hat, sondern mit umfassenden Leistungen punkten, enorm verschiedene Zielgruppen erreichen und auch als Dienstleister erfolgreich sein will.

Keine Angst vor Robotern, keine Angst vor Verdi

Trotz aller Digitalisierung: Die Frage, ob Roboter und Drohnen irgendwann „menschliche“ Arbeitsplätze verdrängen, verneint der Amazon-Chef: „Die Jobs verändern sich vielleicht – aber das haben sie im vergangenen Jahrhundert im Zuge der Industrialisierung doch auch. Insgesamt hat der Fortschritt zu mehr Arbeitsplätzen geführt.“ Alleine in diesem Jahr habe das Unternehmen mehr als 350 neue Arbeitsplätze in Deutschland geschaffen. Und für das kommende Weihnachtsgeschäft werden rund 10.000 saisonale Kräfte benötigt.

Um den Bedarf an Arbeitskräften decken zu können, steht Amazon wie üblich mit den Arbeitsagenturen in Kontakt. Dabei behält das Unternehmen aber auch die aktuelle Krisenlage im Blick und will auch Flüchtlingen eine Anstellung ermöglichen. Das Interesse sei „enorm“. Bei einer entsprechenden Planung werden auch Sprachkurse und Trainingsprogramme für die Beschäftigten berücksichtigt.

Ebenso Berücksichtigung finden auch die jährlichen Streiks von Verdi: „Die Streiks sind ein Faktor, den wir in unseren Planungen berücksichtigen, aber nur ein minimaler. Die ganz überwiegende Mehrzahl unserer Mitarbeiter beteiligt sich nicht an den Streiks und insofern ist das für uns nicht das überragende Thema.“ Viel wichtiger sei allerdings das Glatteis, schließlich kann man dieses nicht kontrollieren und es kann im Extremfall zu empfindlichen Verlängerungen der Lieferzeiten führen.

Zum Jahresanfang gab es viele Prime-Kunden, die sich über verspätete Lieferungen ärgerten (zu lesen auf OnlinehändlerNews). Dass die Kapazitäten über die Feiertage auch in diesem Jahr wieder überlastet sind, bleibt nicht zu hoffen.

Das vollständige Interview der WirtschaftWoche finden Sie hier.

/ Geschrieben von Tina Plewinski




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