Amazon- und Marketing-Experte Andreas Frank erklärt die Hintergründe.

Visualisierung SEO
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Vor wenigen Wochen erfreute sich die Amazon-Community an einer kleinen, aber entscheidenden Neuerung für den SEO-Bereich. Statt wie zuvor nur 250 Zeichen für die Backend-Keywords zur Verfügung zu haben, wurden diese auf nunmehr 500 Zeichen erweitert. Mehr Zeichen bieten dabei zahlreiche Möglichkeiten, sein Listing besonders hervorzuheben und damit im Ranking besser dastehen zu lassen. Oder etwa nicht? Wir sprachen mit Andreas Frank vom E-Commerce-Magazin SELR über die Risiken, die die Neuerung birgt.

Was sind eigentlich Backend-Keywords?

Wer sich mit Search Engine Optimization (SEO) befasst, kennt die verschiedenen Bereiche, die über Keywords genauer spezifiziert werden können. Im Gegensatz zu Listing-Titel oder Produkt-Attributen kann man Backend-Keywords jedoch nicht auf der Storefront des Listings sehen. Denn sie sind, wie der Name verrät, lediglich im Backend – also in diesem Fall dem Amazon Sellercentral – hinterlegt. Trotzdem sind diese Keywords ungemein wichtig, denn sie beeinflussen maßgeblich die organische Sichtbarkeit der Listings.

Möchte man also, dass die eigenen Produkte bei Suchanfragen möglichst weit oben ausgespielt werden, ist es wichtig, sich eingehend mit den optimalen Keywords zu befassen. Vor einigen Wochen erweiterte Amazon jetzt den Spielraum von 250 auf 500 Zeichen. Damit lassen sich mehr Keywords eingeben. Ob diese Neuerung nun wirklich ein wahrer Vorteil ist, haben wir Andreas Frank vom E-Commerce-Magazin SELR gefragt.

Das sind die Gefahren von „Keyword-Stuffing“

Amazon Watchblog: Amazon bietet jetzt mehr Raum für Backend-Keywords. Das klingt an sich nach mehr Möglichkeiten. Worin besteht hier jedoch die Gefahr?

Andreas Frank: Die Verdoppelung der möglichen Zeichenzahl für Backend-Keywords bei Amazon ermöglicht es Verkäufern, ihre Produkte effektiver zu bewerben, indem sie mehr relevante Suchbegriffe hinzufügen. Diese Anpassung kann die Sichtbarkeit und Auffindbarkeit von Produkten verbessern.

Soweit die Theorie. In der Praxis wird die neue Freiheit den Händlern weit weniger Vorteile bringen, als es der allgemeine Jubel der Händler derzeit vermuten lässt. Das übermäßige Hinzufügen von nicht direkt relevanten Keywords, das sogenannte Keyword Stuffing, hat im Online-Marketing leider eine lange Tradition. Mehr Platz für Keywords wird viele Verkäufer dazu verleiten, zu viele nicht oder nur bedingt relevante Keywords einzufügen. Dies reduziert in der Folge die Relevanz der Produktlistings für die Suchanfragen der Nutzer und wirkt sich damit negativ auf die Customer Experience aus.

Kunden erwarten, dass sie bei Amazon schnell und gezielt das finden, was sie suchen. Stattdessen werden sie mit einer Flut von noch mehr völlig irrelevanten Suchergebnissen konfrontiert. Die Frustration wächst, wenn die Suche nach einem “blauen Kugelschreiber” Ergebnisse liefert, die von grünen Wachsmalstiften bis hin zu blauen Turnschuhen reichen – alles andere als das Gesuchte.

Die Versuchung, jedes verfügbare Zeichen auszunutzen, kann kontraproduktiv sein und mehr Schaden als Nutzen anrichten. Oft denken Händler zu wenig aus der Perspektive des Kunden. Es ist nicht entscheidend, dass ein Produkt bei möglichst vielen Suchanfragen in den Suchergebnissen auftaucht. Gekauft wird dann, wenn das Produkt zum Problem des Interessenten passt.

Amazon straft irrelevante Suchergebnisse ab

Welche Nachteile hat es, wenn Artikel nur geklickt, aber nicht gekauft werden?

Wer seine Produkte mit der Gießkanne in den Suchergebnissen verteilt, wird bei Amazon keinen Erfolg haben. Reine Sichtbarkeit ist nur etwas, mit dem Berater kokettieren.

Amazon liebt Produkte, die schnell und reibungslos durch das System laufen. Suche, Ergebnis, Warenkorb, Check-out in einem Fluss, das erhöht das Vertrauen in das Produkt. Wenn dann noch eine geringe Quote an Rückfragen und Retouren hinzukommt, ist es aus Sicht der Plattform perfekt.

Produkte, die zwar durch viele irrelevante Keywords sichtbar gemacht werden und damit Klicks generieren, dann aber keine Käufe nach sich ziehen, erleben zu Recht den freien Fall im Ranking.

Die Ironie der Geschichte? In ihrem Bestreben, die neuen Möglichkeiten maximal auszuschöpfen, haben viele Händler das eigentliche Ziel aus den Augen verloren: den Kunden und seine Bedürfnisse. Das Ergebnis ist eine verpasste Chance, echte Beziehungen zu potenziellen Käufern aufzubauen. Stattdessen ernten die Händler eine wachsende Distanz zwischen Kunden und Produkten, die durch irrelevante Keywords nur noch vergrößert wird.

Produkte, welche erst einmal ausgespielt werden, aber dann nicht liefern, die straft Amazon gnadenlos ab. Wer den Vertrauensbonus der erhöhten Zahl an Keywords leichtfertig verspielt, der gefährdet den gesamten Trust seines Accounts.

 

Welche Faktoren spielen außerdem in das Ranking mit hinein?

Das Ranking von Produkten auf Amazon wird durch eine Vielzahl von Faktoren bestimmt, die über die reine Keyword-Optimierung hinausgehen. Qualitativ hochwertige Produktbilder und -videos sind entscheidend, da sie die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich ziehen und die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass sie auf das Produkt klicken und es kaufen. Ein wettbewerbsfähiger Preis trägt ebenfalls zur Attraktivität des Produkts bei und kann die Kaufentscheidung positiv beeinflussen.

Verkaufen auf Amazon ist keine Raketenwissenschaft

Die ständige Verfügbarkeit des Produkts ist ein weiterer wichtiger Faktor, da Artikel, die regelmäßig auf Lager sind, als zuverlässiger angesehen werden und somit die Kundenzufriedenheit und -bindung erhöhen. Positive Kundenbewertungen und Feedbacks signalisieren potenziellen Käufern die Qualität und Zuverlässigkeit eines Produktes, was sich wiederum positiv auf das Ranking auswirkt.

Eine hohe Konversionsrate zeigt Amazon, dass das Produkt bei den Kunden gut ankommt. Zudem wird die Verkaufshistorie eines Produktes berücksichtigt; Artikel mit konstanten und hohen Verkaufszahlen werden häufig höher gerankt.

Auch die Nutzung von Amazon FBA oder “Prime durch Verkäufer” ist nach den Erfahrungen der letzten Jahre ein entscheidender Faktor, da Produkte, die über dieses Programm verkauft und versendet werden, eine höhere Kaufwahrscheinlichkeit aufweisen. Schließlich sind auch Lieferzeiten und Lagerbestände wichtige Faktoren: Schnelle und zuverlässige Lieferungen sowie eine kontinuierliche Verfügbarkeit der Produkte tragen dazu bei, die Kundenerwartungen zu erfüllen und das Ranking positiv zu beeinflussen. All diese Aspekte zusammen bilden die Basis für eine erfolgreiche Platzierung auf Amazon.

Unterm Strich ist das erfolgreiche Verkaufen auf Amazon keine Raketenwissenschaft. Mit den richtigen W-Fragen und unter Beachtung aller fünf Säulen des Marketings ist Amazon die Plattform, die Händlern in sehr vielen Produkt- und Marktsegmenten das Verkaufen nach wie vor sehr einfach macht.

Wie viele Keywords sind denn ideal?

Hierfür gibt es keine allgemein gültige Zahl. Der effektive Einsatz von Keywords auf Amazon ist eine Balance zwischen Quantität und Qualität. Es geht darum, die richtigen Keywords zu finden und zu verwenden, die das Produkt gut beschreiben und von potenziellen Käufern verwendet werden, ohne die Übersichtlichkeit und Attraktivität des Listings zu beeinträchtigen.

Viele Keywords können ein schlechtes Produkt nicht retten

Hier sind wir wieder bei dem Problem, dass sehr viele Verkäufer im Laufe ihrer unternehmerischen Reise den Fokus auf den Kunden verloren haben. Hinzu kommt, dass sie sich zu wenig um ihre Produkte kümmern. Die Produktpolitik ist eine der Säulen des Marketings, der die Unternehmer zu wenig Aufmerksamkeit schenken. Sie konzentrieren sich auf alle möglichen Werbemaßnahmen und vergessen dabei, dass ein schlechtes Produkt immer ein schlechtes Produkt bleibt. Egal wie viele Keywords verwendet werden und egal wie viel Geld in PPC-Werbung investiert wird.

Mit welchen Analysetools prüft man am besten, welche und wie viele Keywords gut funktionieren?

Das wichtigste, aber am meisten unterschätzte Werkzeug im E-Commerce sind die eigenen Mitarbeiter. Wer täglich mit den Produkten und den Kunden zu tun hat, weiß genau, wofür das Produkt steht. Was kann es, wie wird es genutzt, mit welchen Worten beschreiben Kunden ihr Feedback in der Support-Hotline und in Rezensionen.

Wenn ich einen Speaker auf der Bühne davon schwärmen höre, dass dieses oder jenes Tool herausfinden kann, dass Menschen auf der Suche nach einem Bügeltisch in die Suche das Keyword Bügelbrett eingeben, dann bin ich irritiert. Kein ernsthafter Onlinehändler benötigt für solche Banalitäten ein Tool. Wenn doch, dann hat er seine Hausaufgaben nicht erledigt und sich viel zu wenig mit seinen Produkten und den Zielgruppen beschäftigt.

Generell sehe ich die große Gefahr, dass sich Unternehmer durch den übermäßigen Einsatz von Tools zur Produkt- und Keywordsuche ihres eigenen Know-hows berauben bzw. dessen Entwicklung verhindern. Lösungen an Menschen zu verkaufen, hat immer noch viel mehr mit Empathie, als mit Zahlen zu tun. Auch wenn Toolanbieter und deren Verkäufer aus Eigeninteresse nicht müde werden, den Händlern zu erzählen, dass sie ohne Tools verloren sind. Es gibt große achtstellige Amazonverkäufer, die haben weder zur Produktentwicklung, noch zum Erstellen der Listings irgendwelche dieser bekannten Tools genutzt. Weil sie auf den Markt achten und ihren Kunden zuhören.

Kein Tool sollte je das eigene Gehirn ersetzen

Aber ja, zwei Tools empfehle ich dennoch gerne. Zur Unterstützung des firmeninternen Wissens bezüglich der Keywords das Amazon Keyword-Tool von Sistrix. Dies deshalb, da Sistrix eine schier unendliche Zahl an Daten und Erfahrungen außerhalb des Amazon-Kosmos einbringt. Kunden leben nicht ausschließlich auf Amazon, weshalb es enorm wichtig ist für Verkäufer, die Lebensrealität der Kunden ganzheitlich zu betrachten.

Weiter spreche ich eine Empfehlung für Helium10 aus. Das “Schweizer Messer” der Händlertools. Auch dieses Tool sollte niemals das eigene Gehirn ersetzen. Aber Helium10 hat in den letzten Jahren allen Mitbewerbern gezeigt, wie man ein vielseitiges Tool für Online-Händler erstellt, dass diese auch tatsächlich in ihren Arbeitsalltag integrieren können, ohne vorher Informatik studieren zu müssen.

 

Bietet die Erweiterung der Backend-Keywords trotzdem auch positive Aspekte?

Die Erweiterung der Backend-Keywords auf Amazon ist grundsätzlich eine positive Entwicklung für Verkäufer. Vorausgesetzt, die Neuerung wird sinnvoll und vor allem im Sinne des Kunden eingesetzt. Diese Neuerung trägt dazu bei, die Reichweite von Produkten zu erhöhen, indem sie für ein breiteres Spektrum von Suchanfragen in den Suchergebnissen erscheinen, was insbesondere bei spezifischen oder Nischenanfragen von Vorteil ist. 

Neuerung bietet auch Vorteile

Verkäufer können nun gezieltere Schlüsselwörter verwenden, die auf die Bedürfnisse ihrer Zielkunden zugeschnitten sind, was die Ansprache potenzieller Käufer und die Konversionsraten verbessert. Ein positiver Aspekt ist auch, dass jetzt nicht mehr jedes Keyword, für das im Backend kein Platz mehr war, im sichtbaren Bereich des Listings untergebracht werden muss. Dies führte bisher oft zu wirklich abstrusen Formulierungen in den Bullet Points.

Mehr Flexibilität bei der Platzierung der Keywords, ohne die Lesbarkeit der Inhalte zu beeinträchtigen, ist ein großer Vorteil. Es ist zu hoffen, dass die Händler dies nutzen und sich bewusst machen, dass auch kleine und eher subtil wirkende Veränderungen ihre Conversion steigern können.


Über Andreas Frank:

Andreas Frank ist ein Pionier der deutschen Digitalwirtschaft, hat seit 1992 mehrere Internetfirmen mit Erfolg gegründet und ist an acht Exits beteiligt. Er wohnt in Palma de Mallorca und führt seine auf digitale Geschäftsmodelle spezialisierte FrankVestor GmbH in Hamburg. Frank ist ausgebildeter Werbekaufmann und hat Marketing, Kommunikation und Wirtschaftsrecht studiert. Er ist als Berater, Investor und Redner tätig und engagiert sich seit vielen Jahren im Expertenrat des Händlerbundes. Seit 2023 ist Andreas Frank Herausgeber von SELR, einem E-Commerce-Magazin mit den Schwerpunkten Strategie und Wachstum.

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Geschrieben von Ricarda Eichler

Kommentare

#6 Sascha Ballweg 2024-03-08 13:55
@Andreas Frank: in meinen Artikeldetails steht unter Produktdetails > Suchbegriffe weder das eine (249/250) noch das andere (499/500).
Es gibt einfach keine Angabe zu einem maximalen Wert.

Deshalb wundere ich mich, wo genau Du diese Angabe findest oder wie Du sie prüfst.

Darüber hinaus kann ich noch immer die Suchbegriffe über 5 Zeilen hinweg verteilen. Aber in keiner davon gibt es eine Angabe oder einen Counter, auch nicht im Info-Fragezeich en (?) mit dem hover
#5 Andreas Frank 2024-02-29 13:46
Formal ist das richtig, dass es bisher 249 Bytes waren. Dies ist allseits bekannt.

Da es je nach Nutzung des Zeichensatzes aber nahezu keinen Unterschied in der Praxis macht, wird nun allgemein und der Einfachheit halber von 250 zu 500 Zeichen gesprochen.

Dass es nun 500 Zeichen sind, kann schnell geprüft werden. Einfach in einem Listing im Selleraccount klicken. Mir ist kein Account bekannt, wo nach den Änderungen nun nicht „500 Zeichen“ steht.
#4 Torsten Duffner 2024-02-29 12:54
In letzter Zeit beschäftige ich mich sehr viel mit dem Thema SEO. Letztendlich ist SEO für mich, wie ein Vorabgeführtes Verkaufsgespräc h. Wer die besten Argumente bringt, hat gewonnen.
Ich frage mich, was eine SEO Agentur anders macht wie Sistrix oder Google Ads Keywordplaner
#3 Karsten Möller 2024-02-28 09:07
Ich mache zwar nur sieben und keine achtstelligen Umsätze, aber dieses Interview ist das beste, was zu diesem Thema bisher geschrieben wurde. Was bisher so geschrieben wurde, mit teils kaum verständlichen englischen Marketing Gequarke diente nur zum verkaufen unnützer technischer Tools.
Ergänzen möchte ich noch, das selbst die hauseigenen allgemeinen Amazon Werbekampagnen Tools nicht funktionieren, wenn man das Produkt dahinter und den potentiellen Kunden nicht in die Kampagne ausserhalb von Algorithmen und KI einbezieht.
#2 Sascha Ballweg 2024-02-27 14:59
Der Artikel enthält direkt zu Anfang einen dramatischen Fehler im folgenden Satz;
"Statt wie zuvor nur 250 Zeichen für die Backend-Keyword s zur Verfügung zu haben, wurden diese auf nunmehr 500 Zeichen erweitert."

Dies ist nicht korrekt, denn es standen bisher 249 Byte zur Verfügung. Ein Byte entspricht aber nicht unbedingt einem Zeichen, weshalb man aufgrund dieser Beschränkung einen Byte-Rechner zurate ziehen sollte, bspw.
https://www.wrel.de/amz/bytezaehler/

Ohne es gegengeprüft zu haben gehe ich davon aus, dass die neue Beschränkung auf 449 Byte gesetzt wurde. Die Werte 250 und 500 sind dann in jedem Fall ebenfalls inkorrekt.
#1 Roland Bär 2024-02-27 14:40
Betreffs Amazon und Raketenwissenschaft.

Für mich als Händler ist es eine Universumswisse nschaft warum Amazon falsche Produktmerkmale und falsche Kategoriesierun gen trotz unzähligster Hinweise ignoriert und damit Geld verliert.

Hat jemand zweckdienliche Hinweise?



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