Amazon wird vorgeworfen, auch weiterhin in großem Umfang Neuware und Retouren zu vernichten.

Amazon-Smile auf einem Paket
Shawn Hempel / Shutterstock.com

Bereits 2018 gab es einen großen Aufschrei, als das ZDF-Fernsehmagazin Frontal21 dem Online-Riesen Amazon vorwarf, in seinen Logistikzentren tonnenweise retournierte Produkte und Neuware zu vernichten. Mitarbeitern zufolge seien damals Waren im Wert von mehreren zehntausend Euro pro Tag betroffen gewesen – darunter etwa Möbel, Handys und elektrische Großgeräte. 

Trotz Kritik an dieser Praxis und Vorstößen aus der Politik soll Amazon auch weiterhin Hunderte Tonnen neuer oder neuwertiger Waren und Retouren auf diesem Wege entsorgen. Grundlage der jüngsten Vorwürfe sollen Fotos und Unterlagen sein, die sowohl den Teams von Frontal als auch von Business Insider zugespielt wurden.

Betroffen seien noch immer Tausende Tonnen an Waren

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Amazon haben den Berichten zufolge in den Logistikzentren an unterschiedlichen Standorten heimlich Fotos der zu vernichtenden Waren geschossen. Mit Reportern trafen sich die Angestellten im Rahmen der Recherchen fernab ihres Arbeitsplatzes und unter der Bedingung der Anonymität – aus Angst vor Kündigungen.

In den vergangenen Jahren habe sich trotz der Kritik kaum etwas getan: „Vernichtet wird weiter, in jedem Fall. Es ist nicht erkennbar, dass es irgendwelche Veränderungen gibt“, wird ein Insider vom ZDF zitiert. Lediglich die Bezeichnung, mit der Amazon die betroffenen Waren beschildert, sei angepasst worden. Das Wort „Destroy“, zu Deutsch „zerstören“ oder „vernichten“, werde demnach vermieden und stattdessen auf Beschriftungen wie „Aufbereitung“ oder „Remove“, also „Löschen“, zurückgegriffen.

Neben den Erfahrungsberichten von Mitarbeitenden und den zugespielten Fotos habe das ZDF-Format Frontal auch eine Liste von Greenpeace erhalten und ausgewertet: Laut dieses Dokuments soll Amazon in Deutschland in einem Zeitraum von eineinhalb Jahren knapp 1.840 Tonnen an Waren weggeworfen haben, und das allein in einer Produktgruppe namens „Product“, die unbestimmte Artikel als „Verschiedenes“ zusammenfasst.

Waren von Drittanbietern betroffen

Mit den Recherchen konfrontiert, habe eine Amazon-Sprecherin gegenüber Frontal auf grundsätzlich niedrige Entsorgungsquoten verwiesen, die weniger als ein Prozent der hauseigenen Produkte inklusive Recycling umfassen würden. Allerdings bestehe mehr als die Hälfte der global vertriebenen Produkte des Marktplatzes aus Waren externer Händlern. Was mit diesen unternehmensfremden Waren passiere, liege laut Konzernangaben an den Verkaufspartnern. 

Und genau diese Produkte standen vor einiger Zeit im Fokus weiterer Vernichtungsvorwürfe: Im Mai 2021 berichtete beispielsweise das ARD-Magazin Panorama über eine „Destroy-Station“, also eine „Vernichtungsstation“, am Amazon-Standort Winsen. Diese sei nach damaligen Angaben mit acht Personen besetzt gewesen, die sich um die Aussortierung von Produkten kümmerten. Die Waren seien dann an ein Entsorgungsunternehmen weitergegeben und verbrannt oder gegebenenfalls verarbeitet worden. – Bei jenen Produkten habe es sich vor allem um Waren von Dritthändlern gehandelt.

Amazon, so hieß es damals, würde Dritthändlern die Entsorgung ihrer Produkte anbieten, wenn diese zu lange gelagert und nicht verkauft würden.

Amazon: Vernichtung als letzte Option

Von einer vermeintlich massenhaften Vernichtung nahm Amazon damals ebenfalls explizit Abstand. Die Vernichtung von Produkten liege demnach im „Promillebereich“ und sei die Ultima Ratio: „Nur wenn wir keine andere Möglichkeit mehr haben, geben wir Artikel zum Recycling oder zur Energierückgewinnung – oder als allerletzte Option – zur Deponierung“, kommentierte ein Sprecher damals.

Darüber hinaus machte der damalige Deutschland-Chef von Amazon, Ralf Kleber, Ende 2020 auf Probleme aufmerksam, denen Händler in Sachen Retouren gegenüberstehen: Die Gesetze in Deutschland seien derart gelagert, dass es für Unternehmen teils lukrativer sei, retournierte Ware einfach zu vernichten statt zu spenden. Die anfallende Umsatzsteuer könne mit Blick auf Produktspenden für zusätzliche Kosten sorgen. „Das ist eine Belastung, die vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen – wie unsere Verkaufspartner – oft nicht stemmen können“, sagte Kleber damals. 

Amazon selbst hat bereits Prozesse implementiert, um einen Teil seiner Retouren für gemeinnützige Zwecke zu spenden.

Politik will gegen „Wegwerfmentalität“ vorgehen – tut sich aber schwer

In den vergangenen Jahren wurde das Thema Retourenvernichtung und Vernichtung von Neuware auch in der Politik diskutiert. Die ehemalige Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach etwa von einer regelrechten „Wegwerfmentalität“, die in Teilen des Online-Handels grassiere. 

Mit einer Änderung am Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) sollte sich die Lage bessern, indem eine Obhutspflicht eingeführt wurde, die besonders Retouren im Online-Handel betrifft. Ziel der gesetzlichen Anpassung ist es, Händler stärker in die Pflicht zu nehmen und dafür zu sorgen, dass Retouren nicht vernichtet, sondern weiterverwendet werden. 

Seit Herbst 2020 ist das Gesetz in Kraft. Allerdings gibt es noch immer keine genau geregelte Obhutspflicht und auch ein klares Vernichtungsverbot steht noch aus. Die Richtlinien des KrWG geben lediglich vor, dass eine Vernichtung von Retouren zu vermeiden sei und Händler die Erfüllung dieses Ziels freiwillig gestalten können. Eine weitere Konkretisierung bzw. Verschärfung der aktuellen Vorgaben steht weiter aus.

Im Koalitionsvertrag der Ampel-Regierung ist das Thema der Neuwaren- und Retourenvernichtung bzw. der Produktspenden jedenfalls vorgesehen: Darin wurde eine „rechtssichere, bürokratiearme und einfache Regelung“ versprochen.

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Geschrieben von Tina Plewinski

Kommentare

#2 Peter Michael 2022-10-15 08:30
In keinem anderen Land ist der Fiskus so gierig und verlangt von den Firmen, die diese Produkte verschenken wollen noch die Mehrwertsteuer in Höhe von 19 % vom Neuwert.
Das ist doch offensichtlich das Problem der Händler, wodurch nur die Vernichtung wirtschaftlich möglich ist.
Der deutsche Staat macht zwar unqualifizierte gesetzliche Vorgaben, die eigentlich nichts regeln oder nur "kann-Vorschrif ten" beinhalten, will aber gleichzeitig die Firmen abzocken die spenden wollen. Das Feindbild sollte sich ändern - nicht die bösen Händler oder Amazon sind die Schuldigen für diese irrationale Handlung sondern unsere unfähigen, politischen Vertreter von uns allen.
#1 gunnar 2022-10-13 13:19
es wird zeit, das die strafen höher sind wie jeder wert.
dazu, das die verantwortliche n und mitarbeiter auch mal haftstrafen bekommen.
schaut euch tschechien oder tschechische rep. an.
wer da lebensmittel oder so in den müll wirft, den noch jemand haben will. der hat danach ernste probleme und ist selber dann auf lebensmittelspe nden angewiesen.
aber in deutschland klappt sovieles einfach zu realisierendes nicht.
irgendwie klappt das hier wohl mit den bestechungsgeld ern besser.



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